Linden macht Theater trotz Wohnungsnot und Hunger
Die Initiative „Lebensraum Linden“ lud heute, am 14. Januar 2013 um 15 Uhr, zu einer Veranstaltung in den Gemeindesaal der Ev.-Lutherischen Erlöserkirche (Linden-Süd) ein. In der Vortragsreihe „Erzählcafe“ referierte der gebürtige Lindener Horst Deuker, Jahrgang 1931, jetzt in der List lebend, über das Thema: „Nach dem Krieg war auch in Linden immer Theater“.
Im lockeren Plauderton stellte Deuker die Spielstätten vor, die er als junger Mann häufig besucht hatte (eine große Programmsammlung legt davon Zeugnis ab) und berichtete von großen Anlaufschwierigkeiten „es fehlte an allem“, die überwunden werden mussten. Aber Theaterleute sind ja bekanntlich kreativ, man trotzte der Mangelwirtschaft und begann zu spielen. Einige Bühnen sollen hier vorgestellt werden.
Das „Johann-Strauß-Theater“ hatte bereits im März 1946 mit der komischen Operette „Wiener Blut“ von Johann Strauß einen vielbeachteten Premierenerfolg. Gespielt wurde im Hanomag-Saal, Göttinger Straße 1. Schon bald danach, im November 1946, bestimmte man den Gemeindesaal der Martinskirche im Gertrud-Marien-Heim an der Badenstedterstraße 37 zur neuen Theaterstätte. Operetten blieben vorwiegend auf dem Spielplan.
Komiker Heinz Ehrhardt sammelte hier erste Bühnenerfahrungen. Bereits im März 1949, nach 3 Jahren Spielzeit, fiel der letzte Vorhang.
Einige Monate nach der Eröffnung des Johann-Strauß-Theaters wurde am 8. Dezember 1946 im Hanomag-Saal eine weitere Bühne, „Thalia-Theater“ genannt, aus der Taufe gehoben. Auch hier war heitere Muse angesagt, etwas anderes wollte man auch nicht sehen und hören, galt es doch das Traumata eines verlorenen Krieges mit all seinen grauenhaften Geschehnissen zu überwinden. Also wurden Operetten von Lehar, Abraham, Linke und anderen Komponisten im Thalia-Theater „rauf und runter“ gespielt. Die Lieblings-Operette für die Lindener war: „Die lustige Witwe“ von Franz Lehar, Premiere am 27. September 1947, Regie: Peter Stanchina. Das Stück erlebte über 200 Aufführungen. „Ich habe ca. 23-25 Vorstellungen besucht und hätte bei Krankheit eines Darstellers seinen Part übernehmen können, so textsicher war ich“, berichtet Horst Deuker. Auch an Abrahams „ Die Blume von Hawai“, die im März 1948 Premiere hatte, erinnert sich der Theaterliebhaber sehr gerne, vielleicht auch deshalb, weil der großartige Mime Harald Paulsen Regie führte.
Bald danach brachte ein Ereignis nicht nur Lindens Theaterwelt in Unordnung. Nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 waren die Spielstätten nur noch zu 28% ausgelastet, davor meldete man mit 95% Auslastung fast immer „Ausverkauft“. Nur langsam ging es mit den Besucherzahlen wieder bergauf.
Im Jahr 1958 verlegte das Thalia-Theater unter der Leitung von Gerhard Bönicke seinen Standort in die hannoversche Innenstadt. Das „Theater am Aegi“ am Aegidientorplatz (von 1947 bis 1949 stand hier das Varieté-Theater „Alu-Palast“) wurde neue Heimstatt. 1973 wechselte Theatermann Bönicke ans hannoversche Opernhaus, um dort der Operette neues Leben einzuhauchen. Dies bedeutete das Ende des Thalia-Operetten-Theaters.
Auch das Capitol am Schwarzen Bären bot den Lindenern in den ersten Nachkriegsjahren allerlei Zerstreuung. Es kamen viele Schlagerstars, die ihre großen Erfolge vortrugen, teilweise erst spätabends um 23 Uhr. So lud Rudi Schuricke auf der Bühne des Kinosaals die Zuhörer zu einem Ausflug mit den Capri-Fischern ein (Oktober 1947), Lale Andersen besang die Laterne vor dem großen Tor (Dezember 1948), und im Januar 1949 verkündete die „Berliner Pflanze und Couplet-Königin“ Claire Waldoff: „Ach Jott, wat sind die Männer dumm“ (dieses Lied stimmte Horst Deuker im Plauderstündchen nach seinem Redebeitrag kurz an).
Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass es von Juli 1946 bis Februar 1949 auch in Linden-Nord (Limmer) Theatervorstellungen gab. In den oberen Räumen des Ausflugslokals „Schwanenburg“ an der Wunstorfer Straße standen Komödien auf dem Spielplan.
Danke, Horst Deuker, für einen höchst vergnüglichen Nachmittag.
Bürgerreporter:in:Bernd Sperlich aus Hannover-Bothfeld |
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