Lug und Trug im Friedberger Schlosshof - Theater Augsburg mit "Tartuffe" zu Gast beim Festival herzwärts
Mit dem Festival herzwärts findet heuer bereits zum zweiten Mal ein besonderes Open Air Programm im Friedberger Schlosshof statt, das für jeden Geschmack das passende kulturelle Angebot parat hat. Glück hatten dabei vor allem die Besucher der Komödie "Tartuffe", mit der das Theater Augsburg hier ein Gastspiel gab: Bei Regen wäre die Vorstellung komplett entfallen, da die aufwändigen Bühnenaufbauten keinen spontanen Umzug in die Stadthalle erlaubt hätten. Wie gut dass sich das Wetter freundlich zeigte, wenn auch die wärmenden Decken zum beliebten Utensil beim Publikum wurden. Das Stück zog die Besucher jedoch schnell in den Bann, so dass der frische Wind bald vergessen war.
Gute Unterhaltung statt revolutionärer Kritik
Regisseurin Sigrid Herzog hat mit ihrer modernen Inszenierung für gute Unterhaltung gesorgt. Bewirkte das Stück bei seiner Uraufführung 1664 wegen der revolutionären Kritik am religiösen Heuchlertum noch einen Skandal und ein Verbot der ersten und einer weiteren Fassung, bestand diese Gefahr heute sicher nicht mehr. "Tartuffe" präsentierte sich unterhaltsam, ein wenig frech und frivol, stellenweise mit etwas Klamauk und frei von gefährlicher Kritik.
Der religiöse Heuchler wird zum sportlichen Esoteriker
Die Inszenierung macht aus dem religiösen Heuchler Tartuffe einen sportlichen Esoteriker im Trainingsanzug, den Markus Calvin hervorragend verkörpert. Der Betrüger hilft Orgon auf dessen Suche nach Substanz und Inhalt im Leben mittels Lachyoga und lautstarker Entspannungsübungen vermeintlich auf die Sprünge. Da der wohlhabende Orgon (Martin Herrmann) unter der Oberflächlichkeit seiner Familie leidet, hat er Tartuffe in sein bürgerliches Haus aufgenommen. Unterstützung erhält Orgon von seiner Mutter, die über das materialistische Denken der Familie schimpft. Eva Maria Keller erinnert in ihrer Rolle optisch herrlich an die Queen.
Die restlichen Familienangehörigen jedoch sind sich völlig darüber im Klaren, dass es sich bei Tartuffe um einen Heuchler und Betrüger handelt, der nichts Gutes im Sinn hat. Allerdings gelingt es nicht, dem völlig verblendeten Orgon die Augen zu öffnen. Da nützen auch die bissigen Kommentare der Zofe Dorine nichts, die hervorragend von Lucy Wirth verkörpert wird. Lieber wendet sich Orgon von der Familie ab, verflucht und enterbt den Sohn und schenkt stattdessen dem Betüger Tartuffe sein Hab und Gut.
Ein Ende mit Schrecken
Schließlich gelingt es seiner Ehefrau Elmire, ihm die Wahrheit vor Augen zu führen. Judith Bohle täuscht in ihrer Rolle köstlich gurrende Leidenschaft für Tartuffe vor und dieser zeigt - von Orgon beobachtet - sein wenig ehrenhaftes Interesse. Zwar erkennt Orgon nun seine Dummheit, die voreilige Schenkung jedoch sorgt für Ärger. Denn der skrupellose Tartuffe zeigt sein wahres Gesicht und triumphiert über die Familie. Ein Triumph, den die wiedervereinte Familie nicht zulässt: Sie tötet den Betrüger im Kollektiv.
Das unterhaltsame Gastspiel kommt gut an
Ein Ende, das Sigrid Herzog gegenüber der Vorlage von Molière freilich abgeändert hat, denn der französische Dichter lässt die Justiz, statt der Selbstjustiz richten. Ein Ende auch, das nicht jedem Besucher so recht gefallen will. Zumal es sehr abrupt erscheint, vor allem da das Stück vorher ob des reichlich klamaukhaften Liebeswerbens doch rechte Längen zeigt.
Trotzdem kommt die Komödie sehr gut bei den Theaterbesuchern an. Sie loben die hervorragenden Schauspieler, die mit sichtlich Spaß agieren, und die zeitgemäßen Verse so eingängig vortragen, dass man manchmal den Eindruck hat, die Zeilen reimen sich gerade zufällig. Charmant auch die musikalische Begleitung von Alexander Kuralionok am Akkordeon, der das Ensemble im Tangorhythmus begleitet. Und natürlich kommt das farbenfrohe Bühnenbild im Ambiente des historischen Schlosshofs besonders gut zur Geltung. Das Publikum dankt für den unterhaltsamen Abend mit viel Applaus.
myheimat-Team:Dagmar Weindl aus Friedberg |
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